Interview mit der Baubranche

Landschaftsarchitektur als gesellschaftliche Aufgabe

— Im Gespräch mit René Rheims über Stadtentwicklung, Teilhabe, Haltung & die Rolle der Kommunikation.

Architektur sichtbar machen — Im Gespräch mit Carina Hahn über Branding, Kommunikation & Haltung.
René Rheims,  Kraft.Raum ©Felix Gemein

René Rheims ist Landschaftsarchitekt und Gründer von KRAFT.RAUM., einem vielfach ausgezeichneten Büro für Landschaftsarchitektur und Stadtentwicklung mit Standorten in Düsseldorf, Esslingen und Hamburg.

Seine Arbeit verbindet Entwurf, Haltung und gesellschaftliche Verantwortung – mit besonderem Fokus auf die soziale Dimension des öffentlichen Raums.

In unserem Gespräch spricht Rheims über die Bedeutung von Freiräumen in Zeiten multipler Krisen, über die Rolle von Bildern und Beteiligung – und warum Kommunikation längst nicht mehr nur für die Pressearbeit zuständig ist.

Ein Gespräch über Wandel, Wirkung – und Räume, die mehr sein wollen als nur grüne Kulisse.

Storytelling & Kommunikation von Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur beeinflusst das tägliche Leben vieler Menschen, bleibt aber oft unsichtbar. Wie gelingt es Dir, Projekte so zu erzählen, dass ihre Bedeutung für den Alltag der Menschen sichtbar wird?

René Rheims Landschaftsarchitektur wird dann sichtbar, wenn sie mehr als nur grüne Kulisse ist – wenn sieAtmosphäre schafft, Lebensqualität fördert, Verhalten beeinflusst und im besten Fall Achtsamkeit für Umwelt und Mitmenschen fördert. Gerade angesichts der Klimakrise und des Artensterbens ist es entscheidend, die Qualität nachhaltiger Stadträume stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Unsere Projekte erzählen deshalb Geschichten, die sich aus dem Ort entwickeln: Geschichten von Leben, Vielfalt und Begegnung – konkret, emotional und verständlich. Gute Kommunikation beginnt nicht erst mit dem fertigen Projekt, sondern bereits im Entwurfsprozess – wenn funktionale, ökologische und gestalterische Aspekte zu einem narrativen Ganzen werden, das Menschen erreichen, begeistern und im Alltag berühren soll.

Bauvorhaben – besonders im öffentlichen Raum – stoßen häufig auf Skepsis oder Widerstand. Welche Kommunikationsmaßnahmen können frühzeitig Vertrauen schaffen und Begeisterung wecken?

René Rheims Veränderung ruft zunächst oft Widerstand hervor – besonders, wenn liebgewonnene Gewohnheiten wie das Parken vor der Haustür betroffen sind. Viele Menschen wünschen sich lebendige, autofreie Stadträume, tun sich aber schwer, diesen Wunsch mit dem eigenen Alltag zu verbinden.

Deshalb setzen wir auf frühzeitige und transparente Kommunikation und vor allem auf anschauliche Bilder. Visualisierungen helfen, die Vorteile neuer Freiräume emotional erfahrbar zu machen – sie übersetzen abstrakte Konzepte in greifbare Perspektiven.

Ein Beispiel ist der Platz an der Schützenstraße in Düren: Die Transformation einer innerstädtischen Parkplatzfläche stieß anfangs auf viel Skepsis. Erst durch gezielte Bilder und klare Kommunikation des Mehrwertes wandelte sich diese Skepsis in Vorfreude – auf eine grüne, lebenswerte Mitte.

Visualisierung Düren, © Kraft.Raum
Visualisierung Düren © Kraft.Raum

Kannst Du von einem Projekt berichten, bei dem Kommunikation und Storytelling eine entscheidende Rolle gespielt haben?

René Rheims Ein gutes Beispiel ist unsere kürzlich eröffnete Platzgestaltung an der Herler Straße in Köln. Die Fläche wurde zuvor fast ausschließlich als Verkehrsraum genutzt und stieß bei den Anwohnenden zunächst auf große Ablehnung.

Durch einen frühzeitigen Beteiligungsprozess und das Aufzeigen mehrerer Entwurfsvarianten konnte trotz der anfänglichen Skepsis schrittweise mitgestaltet werden. Die aktive Einbindung führte dazu, dass sich viele mit dem Projekt identifizieren – und die Transformation nicht nur akzeptieren, sondern mittragen.

entwurfsvarianten Herler Straße © Kraft.Raumentwurfsvarianten Herler Straße © Kraft.Raum
entwurfsvarianten Herler Straße © Kraft.Raum

Visuelle Medien wie Fotografie, Renderings oder Film spielen eine zentrale Rolle in der Architekturvermittlung. Welche Formate oder Ansätze haben sich in Deiner Arbeit als besonders wirkungsvoll erwiesen?

René Rheims Visuelle Medien sind essenziell, um komplexe Konzepte auf einen Blick verständlich zu machen – insbesondere für Menschen ohne Fachhintergrund. Sie sind unser wichtigstes Kommunikationsmittel, um Ideen erlebbar zu machen. Gerade Videos sind dabei besonders wirksam, weil sie mehr als nur das Auge ansprechen: Sie transportieren Atmosphäre, Bewegung und Klang – sie erzeugen ein Gefühl für den Ort.

Ein gutes Beispiel für visuelle Kommunikation ist unser Projekt in Köngen, bei dem wir über Visualisierungen und Konzeptskizzen zeigen konnten, wie das Konzept mit Starkregenereignissen umgeht – funktional, aber auch spielerisch und gestalterisch. Solche Darstellungen machen nicht nur Inhalte greifbar, sie wecken auch emotionale Resonanz und fördern ein Bewusstsein für wichtige Themen, die bisher eine zu geringe Aufmerksamkeit erhalten.

Piktogram Köngen – Klimakreisläufe bauen © Kraft.Raum
Piktogram Köngen – Klimakreisläufe bauen © Kraft.Raum
Visualisierungen Köngen © Kraft.RaumVisualisierungen Köngen © Kraft.Raum
Visualisierungen Köngen © Kraft.Raum

Welche typischen Fehler erlebst Du in der Kommunikation von Landschaftsarchitektur – und wie lassen sie sich vermeiden? Welche Strategien helfen, Missverständnissen frühzeitig vorzubeugen?

René Rheims Ein häufiger Fehler liegt darin, Nachhaltigkeit allein über Zahlen und technische Parameter zu kommunizieren. Damit erreicht man oft nur Fachleute – nicht aber die breite Öffentlichkeit. Dabei geht es uns in der Landschaftsarchitektur darum, Räume zu schaffen, die nachhaltiges Verhalten intuitiv fördern und zugleich ein Bewusstsein für Umwelt und Klimathemen wecken.

Ökologische Prozesse wie Biodiversitätsförderung sind schwer zu vermitteln, da ihre Auswirkungen im Hintergrund wirken. Gerade deswegen setzen wir auf anschauliche Werkzeuge wie: Storytelling, Beteiligungsprozesse, skizzenhafte Diagramme, Visualisierungen und nicht zuletzt auf Sozial Media. So können Inhalte auf Augenhöhe zu vermittelt werden – nachvollziehbar, emotional und alltagsnah.

Piktogramme Stadt als Lebensraum © Kraft.RaumPiktogramme Stadt als Lebensraum © Kraft.Raum
Piktogramme Stadt als Lebensraum © Kraft.Raum

Ein häufiger Fehler liegt darin, Nachhaltigkeit allein über Zahlen und technische Parameter zu kommunizieren.

René Rheims, Landschaftsarchitekt & Gründer, KRAFT.RAUM.

Zeitgemäße Architekturkommunikation in Renés Arbeit

Welche großen Trends beobachtest Du in der Kommunikation von Architektur und Landschaftsarchitektur – und was bedeutet das für die Praxis?

René Rheims Social Media ist heute eines der wichtigsten Werkzeuge, um Landschaftsarchitektur auch außerhalb der Fachwelt sichtbar zu machen. Was früher nur in Fachzeitschriften diskutiert wurde, erreicht heute eine breite Öffentlichkeit. Plattformen wie Instagram oder LinkedIn ermöglichen uns, Themen wie Klimaanpassung, Biodiversität oder soziale Nachhaltigkeit verständlich, ästhetisch und zugänglich zu vermitteln – mit geringem Aufwand auf Seite der Nutzer:innen.

Gleichzeitig schafft Social Media einen niedrigschwelligen Raum für Austausch. Kommentare und Rückmeldungen liefern uns wertvolle Impulse und Perspektiven, die in klassischer Kommunikation kaum möglich wären.

Architektur und Landschaftsgestaltung werden zunehmend über digitale Medien erlebt. Welche Kanäle oder Formate sind aus Deiner Sicht heute besonders wirkungsvoll, um sowohl Fachleute als auch die breite Öffentlichkeit zu erreichen?

René Rheims Wir nutzen bewusst verschiedene Kanäle – Instagram und LinkedIn bilden aktuell unsere stärksten Kommunikationsplattformen. Während Instagram eher informell und visuell zugänglich ist und eine breite Öffentlichkeit anspricht, nutzen wir LinkedIn eher für fachlichen Austausch innerhalb der Branche.

Unterschätzt wird aus unserer Sicht nach wie vor das Potenzial von Bewegtbild – insbesondere auf Plattformen wie TikTok oder Instagram Reels. Gerade jüngere Zielgruppen lassen sich über Geschichten, Emotionen und kurze visuelle Einblicke viel stärker erreichen als über klassische Renderings und Hochglanzfotos. Unsere Branche muss hier mutiger werden: Es geht darum, neue Formate auszuprobieren, Inhalte erlebbar zu machen – und so echte Verbindung zu schaffen. Die wichtigste Strategie bleibt dabei: neugierig bleiben, mitwachsen, individuell kommunizieren.

Welche innovativen Ansätze siehst Du in diesem Bereich, und welches Potenzial haben sie für die Zukunft?

René Rheims Technologien wie AR oder interaktive 3D-Modelle bieten großes Potenzial, um komplexe Inhalte anschaulich zu vermitteln – vor allem in Beteiligungsprozessen. Aktuell scheitert ihr breiter Einsatz aber oft an begrenzten Ressourcen und dem hohen Aufwand in der Umsetzung.

Potenzial in der Zukunft sehe ich besonders in der Automatisierung: KI-gestützte Tools und neue Softwarelösungen könnten viele bislang aufwändige Prozesse vereinfachen – ohne die kreative Arbeit zu ersetzen, sondern um sie gezielt zu unterstützen. Auch in der BIM-Planung zeigt sich bereits, wie digitale Technologien Entwurfs- und Abstimmungsprozesse effizienter und präziser machen können. Die Herausforderung liegt darin, diese Werkzeuge intelligent zu integrieren und nicht Menschen und ihre Jobs zu ersetzen.

„Unterschätzt wird aus unserer Sicht nach wie vor das Potenzial von Bewegtbild – insbesondere auf Plattformen wie TikTok oder Instagram Reels.“

René Rheims, Landschaftsarchitekt & Gründer, KRAFT.RAUM.

Tipps & Einblicke für die Branche

Landschaftsarchitektur betrifft alle Menschen, wird aber oft nur von Fachleuten diskutiert. Welche Strategien helfen dabei, Architektur und Landschaftsgestaltung nicht nur für Experten, sondern auch für die breite Öffentlichkeit verständlich, spannend und zugänglich zu machen?

René Rheims Wir setzen auf eine Kommunikation, die offen, visuell und nahbar ist. Über Social Media – vor allem Instagram – zeigen wir nicht nur fertige Projekte, sondern auch Prozesse, Entscheidungen und das Team dahinter. So entstehen Einblicke, die den Alltag der Landschaftsarchitektur greifbar machen.

Gleichzeitig ist für uns die direkte Beteiligung essenziell: Ob digital oder vor Ort – durch persönliche Gespräche und frühzeitige Einbindung schaffen wir Vertrauen und vermitteln komplexe Themen niedrigschwellig. Ziel ist es, Menschen für nachhaltige Stadträume zu begeistern, nicht durch Fachbegriffe – sondern durch Erlebnisse, Geschichten und Orte, die berühren.

Gibt es inspirierende Best Practices aus der Branche – sei es aus dem In- oder Ausland –, die zeigen, wie durch gelungene Kommunikation Architekturprojekte erfolgreicher wurden?

René Rheims Ein spannendes Beispiel für gelungene Kommunikation ist die Toyota Woven City, entworfen vom Büro BIG in Kopenhagen. Das Projekt beeindruckt nicht nur durch seine visionäre Idee, sondern vor allem durch seine transparente und mitreißende Darstellung: Die Geschichte des Ortes wird erzählt, die Entstehung begleitet, und Nutzer*innen werden von Anfang an emotional abgeholt.

Diese Art der narrativen Projektvermittlung – bei der nicht nur das fertige Bild, sondern auch die Idee und der Weg dorthin sichtbar werden – schafft ein tieferes Verständnis und Vertrauen.

Wenn Du in der Kommunikation von Landschaftsarchitektur sofort eine Veränderung bewirken könntest – welche wäre das und warum? Gibt es einen bestimmten Aspekt, der Deiner Meinung nach dringend überdacht werden sollte?

René Rheims Ich würde mir wünschen, dass Landschaftsarchitektur stärker emotional vermittelt wird – und zwar nicht nur über Zahlen, Renderings oder Pflanzenlisten, sondern über echte, sinnliche Erfahrung. In der Architektur sind 1:1-Fassadenmuster längst etabliert. Warum also nicht auch Pflanzflächen im Maßstab 1:1 als Teil von Planungsprozessen zugänglich machen? Gerade in Zeiten der Klimakrise geht es nicht nur um technische Lösungen, sondern darum, Menschen für Natur im urbanen Raum zu begeistern. Diese Erfahrung kann kein Diagramm ersetzen.

Ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Kommunikation von Architektur und Stadtplanung in den nächsten 5-10 Jahren entwickeln? Welche Herausforderungen und Chancen siehst Du für die Branche?

René Rheims In fünf Jahren werden wir mit geringem Aufwand und niedrigschwelliger Technik – etwa durch VR- oder AR-Brillen – geplante Freiräume direkt vor Ort erlebbar machen können. Entwürfe werden nicht mehr nur gezeigt, sondern im Stadtraum gefühlt – im Maßstab 1:1.

In zehn Jahren wird die Vermittlung noch vielseitiger: Mit Klang, Lichtstimmungen oder sogar Duft lassen sich Atmosphären simulieren, die eine ganzheitliche Vorstellung vom späteren Raum ermöglichen.

Ich würde mir wünschen, dass Landschaftsarchitektur stärker emotional vermittelt wird.

René Rheims, Landschaftsarchitekt & Gründer, KRAFT.RAUM.

Vielen Dank an René Rheims – für das spannende Interview und die inspirierenden Einblicke in seine Arbeit.

Architektur ganzheitlich kommunizieren

Warum wir diese Interviews führen

Architektur sichtbar zu machen, heißt für uns mehr als gute Bilder zu produzieren. Wir glauben an ganzheitliche Kommunikation – an mutige Marken, starke Haltungen und klare Botschaften. Deshalb sprechen wir mit Menschen, die genau das tun: Baukultur kommunizieren. Unsere Interviews geben Einblicke in zeitgemäße Strategien, inspirierende Perspektiven und persönliche Erfahrungen aus der Praxis – immer mit Blick auf Architektur, Immobilien, Städtebau und die Kommunikation dahinter.

Das Ziel

Wir wollen zeigen, wie Marken in der Bau- und Immobilienbranche heute überzeugen – nicht nur durch gute Architektur, sondern durch gute Kommunikation.

Und was das mit uns zu tun hat?

Als Architekturfotografen und Content-Partner gestalten wir visuelle Kommunikation mit. Wir wissen, wie entscheidend das Zusammenspiel aus Bild, Sprache und Strategie ist – und beraten unsere Kund*innen genau an dieser Schnittstelle.

Als Fotografen und Content-Partner gestalten wir visuelle Kommunikation mit. Wir wissen, wie entscheidend das Zusammenspiel aus Bild, Sprache und Strategie ist – und beraten unsere Kund*innen genau an dieser Schnittstelle.

Du möchtest selbst einmal Teil unserer Interviewreihe werden oder kennst jemanden mit einem spannenden Ansatz rund um Architektur, Kommunikation oder Baukultur? Dann schreib uns gerne – wir freuen uns auf spannende Gespräche!

to top button